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Turn me on, damnit!

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Das ist der Titel des 2011 in Norwegen produzierten Coming of Age Films, in dem die 15jährige Alma zur Außenseiterin in Dorf und Schule wird, weil ihr Schwarm Artur nicht eingestehen will, dass er ihr seinen Penis gegen die Wade drückte.

Der Plot klingt schräg genug, auffällig ist aber vor allem Almas Charakter in dieser Story. Anders als der Titel suggeriert, ist es nicht nötig diesen Teenager anzutörnen – das blonde Mädchen ist eine Hormonschleuder, sie masturbiert auf Geldrollen bei ihrem Supermarktjob, der ihre Schulden wegen exzessiver Nutzung einer Sexhotline mindern soll, unterdrückt ihr Stöhnen nicht, wenn sie es sich abends im 90 x 180 cm Kinderbett selber macht und hat diverse sexuelle Phantasien, in die wir als Zuschauer Einblick bekommen.

Aber weil Alma wenig Hehl um ihre Gelüste macht und Arturs Penis-Tat offen ihrer besten Freundin Saralou und deren lipgloss-addicted Schwester Ingrid gesteht, ergeben sich Probleme. Ingrid selbst hat ein Auge auf Artur geworfen und stellt Alma auf einer Party im „Jugendclub“ als Lügnerin und Perverse da. Es folgt eine anstrengende Zeit für Alma, in der sie gemieden und als „Dick-Alma“ ausgelacht wird und in der sich die Probleme mit ihrer Mutter – die sich mit Almas ‚Geilheit‘ unwohl fühlt – zuspitzen. Aber man darf sich an dieser Stelle als Leser nicht maßloses Drama ausmalen – keiner versucht sich umzubringen und Alma raucht zwar ein paar Joints und trinkt ein wenig Alkohol, aber die Heroinspritzen bleiben zu hause. Stattdessen stellt der Film in recht skandinavischer Manier – sollte aus dieser Ecke mal ein Actionfilm kommen, man sage mir Bescheid – die Geschehnisse im gottverlorenen Kaff Skoddeheimen ruhig und beobachtend, ja fast mit der selben Trostlosigkeit wie den Schauplatz selbst, dar.
Und so scheint es auch entsprechend naheliegend, dass man die eigentliche Botschaft des Filmes nicht sofort begreift, obwohl diese so naheliegend ist. Als Zuschauer erlebt man Alma als ein wenig verrückt – man wird Zeuge ihrer ausgeprägten Sexualität, die einem im Vergleich zu eigenen Erfahrungen zu stark vorkommt. Man erlebt aber auch ihre Phantasien (die anfänglich enorm stören, weil sie mit kitschiger Musik unterlegt sind) und glaubt zur Mitte des Films hin, dass Alma sich den Penis an ihrem Bein wohl doch eingebildet haben muss. Als Zuschauer findet man sich also auf einmal auf der Seite all der Leute – ihrer Mitschüler, der Dorfbewohner, ihre Mutter – die Alma ausgrenzend behandeln. (Mal abgesehen davon, dass auch eine Lüge nicht diese Behandlung rechtfertigt).
Doch dann gibt es eine Wende  im Film, die subtil klar macht, dass Alma nicht im entferntesten unnormal ist. Die 15jährige trampt heimlich aus ihrem Kaff nach Oslo, wo eine Bekannte lebt und findet für zehn Filminuten eine warme, offene Umgebung. In diesen Momenten, in denen Alma keine Außenseiterin ist, fröhlich mit der Bekannten und deren MitbewohnerInnen singt und sie den bösen Spitznamen „Dick-Alma“ in einem Lied glorifizieren, wird klar, dass das Problem nicht bei dem Mädchen liegt, sondern allein in ihrem Umfeld. An diesem Punkt fühlt man sich als Zuschauerin schlecht darin, Almas Verhalten jemals als ungewöhnlich gesehen zu haben. Und wie viele Filme schaffen es noch, konkrete Schuldgefühle in einem auszulösen?

Leider kann der Film nicht in dieser Errungenschaft baden, sondern sucht sich ein Ende, bei dem sich alles zum Guten wandelt.
Almas Mutter findet selbst einen Partner, Saralou redet wieder mit ihr und Artur – nachdem Alma ihn vor ihrem Haus als Feigling abgewiesen hatte – bekennt sich auf einem großen Schriftbanner zu seiner semi-sexuellen Penistat.
Warum, oh warum kann so ein Film nicht mal so scheiße und gedrückt enden, wie er angefangen hat?
Wir sind hier ja nicht in Hollywood.

***

Wertung: 3,5